Clean Climbing Camp 2 2016 in Milly-la-Forêt - Fontainebleau


Ein verwunschener Wald irgendwo in Fontainebleau, Frankreich. Die durch die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages wachgeküssten Laubbäume recken ihre Blätter noch verschlafen gen Himmel und befreien sich vom über allem liegenden Tau. Die durch die sich erhebenden Blätter schleichende Sonne taucht alles in ein warmes, von Nebelschwaden durchzogenes Gold. Leise, entfernte Vogelstimmen weisen dem Ambiente den letzten Weg zum Zauberwald. Doch diese Insel der Zurückgezogenheit wird jäh durch einen infernalischen Urschrei durchbrochen, gewachsen aus unendlichen Anstrengungen und in der Lage, jenes sonst durchgängig säuselnde Vogelgezwitscher abrupt zum Verstummen zu bringen. In die plötzliche Stille bricht aufbrausender Jubel wie Donnerhall und erzwingt hektische Flugmanöver in dern umliegenden Bäumen. Und damit wären wir mitten drin, im Clean Climbing Camp 2016. Sechs Tage voller magischer Lichtungen, sich durch Wälder schlängelnde Pfade, Kreidewolken in der Luft. Voll von absurden Felsformationen, deren Unbezwingbarkeit sich allzu oft als Trugschluss herausstellen wird. Voll von Höhen, voll von Tiefen, kurz gesagt, voller Leben.

11 Menschen haben sich aufgemacht um den Alltag hinter sich zu lassen und manche Schattenseite mit neuen Eindrücken wieder zu beleuchten. Wenn eines gesagt werden muss, um diese Unternehmung eindeutig zu beschreiben, dann, dass sie mehr ist als Sport, mehr als ein Urlaub und mehr als eine Ansammlung von Personen mit gleichen Interessen.

Vielmehr gibt Sie den Teilnehmern, welche harte und manche wohl auch härteste Zeiten hinter sich haben, die Möglichkeit, als der Mensch genommen zu werden, der sie sind und nicht als der, der sie einst waren. Sie ist ein Treffen unter Gleichen, zwischen Menschen, die trotz oder vielleicht gerade wegen der Erfahrung ausgeschlossen, vorverurteilt oder in welcher Weise auch immer kein „normales“ Mitglied der Gesellschaft zu sein, eine unglaubliche Sensibilität und Empathie für ihre Mitmenschen zeigen. Die durch ihren jetzigen Werdegang anderen zeigen können, das es immer eine Alternative gibt. Und so kann sich das entfalten, was diese Reise anders macht. So lässt sich beobachten, wie sich die Teilnehmer einander öffnen, wie jeder nach und nach tiefere Einblicke in sein Gegenüber bekommt, es besser versteht, besser nachvollziehen kann warum etwas in diesem Leben passiert ist. So baut sich Tag für Tag mehr Vertrauen untereinander auf.

Dieses Vertrauen ist am Boulderspot schließlich direkt erfahrbar und führt zu jenen gemeinsamen Jubelschreiben, die eingangs beschrieben wurden. Wir sind nicht nur hier, um jeder für sich sein Limit zu pushen, besser, stärker, schneller zu werden. Wir sind hier, um uns gegenseitig zu helfen folgendes zu erkennen: dass oft so viel mehr in uns steckt, als wir selbst vermuten. Das unsere Schwächen zu uns gehören wie unsere Stärken, und wir trotzdem akzeptiert werden. Dass wir nicht allein sind, dass wir uns auf einander verlassen können. Dass die Person da unten, die, die 3 Meter unter mir die Arme in die Luft streckt, alles tun wird um mich vor einer Verletzung zu schützen. Das die ganze Crew zusammen hilft, wenn sich doch jemand verletzt. Das nach einer Stunde gemeinsamen Beratens eine ursprünglich als unmöglich angenommene Route im Durchstieg endet, einem Durchstieg, der alleine nie zustande gekommen wäre, den man aber letztendlich irgendwie doch ganz alleine gemeistert hat. Genau das ist die Mischung aus gemeinsamer Arbeit und persönlichem Erfolg, die das Bouldern so fruchtbar für uns werden lässt. Und die alle am Fels zum Jubeln bringt: die, die den entscheidenden Fußtritt gefunden haben, die, die ihn erfolgreich verwendet haben und die, die mit einem grinsend überreichten Keks die Motivation und wohl auch den Blutzuckerspiegel gestiftet haben, der zum Erfolg führt.

Ich könnte nun seitenweise solche Erfahrungen dokumentieren, doch das ist gar nicht nötig. Was nötig ist, ist zu sagen: Spotting funktioniert. Spotting stabilisiert. Spotting motiviert. Und Spotting bringt Menschen einander näher. Für mich persönlich kann ich zum Schluss nur noch sagen: Ich bin mit guten Bekannten in Nürnberg losgezogen. Zurückgekommen bin ich mit Freunden. Von denen ich in einer Woche mehr über ihre Person erfahren habe als von vielen anderen. Danke euch allen für diese Erfahrung.